Arbeitssicherheit

7 Schritte zur Gefährdungsbeurteilung

22.08.2019

Das Unterweisen Deiner MitarbeiterInnen zu den Gefährdungen bei der Arbeit gehört zu den grundlegenden Unternehmerpflichten. Aber woher weiß ich, welche Themen ich unterweisen muss? Nach dem Arbeitsschutzgesetz muss zunächst eine Gefährdungsbeurteilung erfolgen. Welche Gefährdungen können bezogen auf den Arbeitsplatz bzw. die Tätigkeiten der Mitarbeiter auftreten? Die Verpflichtung zur Gefährdungsbeurteilung gilt unabhängig von der Beschäftigtenzahl. Wir wollen hier die wichtigsten Fragen rund um die Gefährdungsbeurteilung beantworten, damit Du für eine rechtssichere Unterweisung Deiner MitarbeiterInnen gerüstet bist.

Es gibt kein Patentrezept. Die Gefährdungsbeurteilung sollte sich immer an den konkreten betrieblichen Gegebenheiten orientieren. Am wichtigsten ist, dass Du strukturiert vorgehst. Als Orientierung helfen Dir dabei die folgenden sieben Schritte, die auch von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin vorgeschlagen werden.

Ganz wichtig: Du musst Dein Vorgehen dokumentieren. Welches Medium Du zur Dokumentation nutzt, ist Dir freigestellt. Es geht nicht darum, dass Du möglichst viel Papierkram erzeugst. Du sollst nachvollziehbar belegen können, dass Du die Risiken in Deinem Unternehmen erfasst und die notwendigen Maßnahmen festgelegt hast. So erhöhst Du im Schadensfall Deine Rechtssicherheit.


1. Vorbereiten der Gefährdungsbeurteilung

Im ersten Schritt solltest Du Dir einen Überblick über die betriebliche Organisation verschaffen. Welche Bereiche gibt es und welche Tätigkeiten werden dort durchgeführt? Um sich etwas Arbeit zu sparen, darf man dabei gleichartige Tätigkeiten mit ähnlichen Gefährdungen durchaus arbeitsbereichsbezogen zusammenfassen. Ein Arbeitsbereich könnten zum Beispiel Büroarbeitsplätze sein. 

Anders verhält es sich bei besonderen Gefahrenlage und komplexen Situation. Hier kann es durchaus angebracht sein, eine gesonderte Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Daneben kann es auch notwendig sein, dass Du für einzelne Mitarbeiter eine personenbezogene Gefährdungsbeurteilung erstellst. Zu den besonders schutzbedürftigen Beschäftigten zählen zum Beispiel behinderte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, werdende und stillende Mütter, Auszubildende, Berufseinsteiger oder LeiharbeitnehmerInnen. 


2. Ermitteln der Gefährdungen

Im zweiten Schritt erfolgt die Ermittlung der möglichen Gefährdungen. Je nach Branche, Tätigkeit oder Arbeitsumgebung können sehr unterschiedliche Unfall- und Verletzungsrisiken auftreten. Neben akuten Risiken muss man auch schleichende Gefährdungen beachten, die sich langfristig auswirken können (Lärm, Ergonomie des Arbeitsplatzes, psychische Belastungen).

Auch wenn es offiziell keine Liste aller möglichen Gefährdungen gibt, hilft Dir die folgende Aufstellung als Orientierung bei der Ermittlung:

Gefährdungsart

Beispiele

mechanisch


hierzu zählen z.B. Gefährdungen durch Maschinenteile, die zu Quetschungen, Stößen oder Schlägen führen können, des weiteren zählen hierzu auch klassische Verletzungen durch Stolpern, Rutschen und Stürzen

chemisch

hierunter fallen alle Arten von Gefahrstoffen, darunter auch Staub, Asbest, Gase und Dämpfe

thermisch

heiße oder kalte Oberflächen und Substanzen, Räume oder Hitzearbeitsplätze

Brand- und Explosionsgefährdungen

die Arbeit mit explosionsfähigen Gasen und brennbaren Flüssigkeiten

elektrisch

Gefährdungen in Form von Stromschlägen, Lichtbögen, elektrostatischen Aufladungen durch offene Kabel oder spannungsführende Teile

physikalisch

hierzu zählen z.B. UV-Strahlung, Vibrationen und Lärm

biologisch

Gefährdungen durch Krankheitserreger (Bakterien, Viren) oder durch allergieauslösende Stoffe

physisch

Gefährdungen durch körperliche Tätigkeiten oder Haltungen 

psychisch

psychische Belastungen entstehen z. B. durch Stress, Ängste, Mobbing, Aggression usw.


3. Beurteilen der Gefährdungen

Nachdem Du alle Gefährdungen ermittelt hast, erfolgt die Beurteilung der Risiken. Wie hoch ist das Risiko durch die Gefährdung? Um dies zu beurteilen, muss man das mögliche Schadensausmaß und die Eintrittswahrscheinlichkeit betrachten. Hierzu kann man auf eine Einteilung der Risiken in 3 Klassen zurückgreifen:

1. Klasse:

Zur 1. Klasse werden Risiken gezählt, die im Rahmen einer bestimmten Tätigkeit zu akzeptieren sind und auch nach der Umsetzung von Maßnahmen bestehen bleiben.

2. Klasse:

Zur 2. Klasse gehören Risiken, die keinen akuten Handlungsbedarf erfordern, aber mittel- bis langfristig beseitigt oder minimiert werden müssen.

3. Klasse:

Alle Risiken, die inakzeptabel und nicht hinnehmbar sind, weil sie die Sicherheit und die Gesundheit akut gefährden.

 

4. Festlegen konkreter Arbeitsschutzmaßnahmen

Bei der Auswahl geeigneter Arbeitsschutzmaßnahmen sollte man sich am S-T-O-P-Prinzip orientieren. Das Prinzip gibt vor, mit welcher Priorität bestimmte Maßnahmen durchzuführen sind. 

"S" - Substitution

Im Idealfall sollten Tätigkeiten so gestaltet sein, dass keine Gefährdung vorhanden ist. Falls möglich, sollte man Gefahrenquellen komplett beseitigen, indem man z.B. Geräte und Materialien austauscht oder Abläufe verändert.

"T" - technische Maßnahmen

Wenn Gefährdungen nicht komplett beseitigt oder Gefährdungsquellen nicht substituiert werden können, sollte zunächst auf technische Maßnahmen zurückgegriffen werden. Das können z.B. Lichtschranken an beweglichen Maschinenteilen sein.

"O" - organisatorische Maßnahmen

Mit organisatorischen Schutzmaßnahmen versucht man die Gefahrenquelle zeitlich oder räumlich vom Menschen zu trennen. Die Arbeitszeit bei besonders belastenden Tätigkeiten kann beispielsweise reduziert werden oder Fußwege von Gabelstaplerwegen getrennt werden.

"P" - personen- und verhaltensbezogene Sicherheitsmaßnahmen.

Personen- und verhaltensbezogene Maßnahmen sollten nachrangig eingesetzt werden. Sie sind als individueller Schutz durch richtiges Verhalten und den Einsatz von persönlicher Schutzausrüstung (PSA) zu verstehen. Mögliche Maßnahmen, die für das richtige Verhalten sorgen sollen sind z.B. Unterweisungen, Einweisungen und Verhaltensregeln in Form von Betriebsanweisungen. 


5. Durchführen der Maßnahmen

Nachdem Du die geeigneten Maßnahmen festgelegt hast, geht es an die Umsetzung. Achte darauf, dass Du folgende Fragen beantwortest und die Zuständigkeiten festlegst: Wer macht was bis wann?

Einen wichtigen Part bei der Durchführung der Sicherheitsmaßnahmen stellen Unterweisungen dar. Sie sollen dafür sorgen, dass die Beschäftigten über mögliche Gefährdungen informiert sind, den Zweck von Schutzmaßnahmen erkennen und eigenverantwortlich im Sinne der Sicherheit und Gesundheit handeln. 

Als Arbeitgeber bist Du dazu verpflichtet, Deine Mitarbeiter über Sicherheit und Gesundheit bei ihrer Tätigkeit ausreichend und angemessen zu unterweisen. Die Unterweisungen müssen vor der Aufnahme einer Tätigkeit erfolgen (Erstunterweisung) und dann in regelmäßigen Abständen wiederholt werden, meistens jährlich. 

Wie die Unterweisung zu erfolgen hat, ist nicht festgelegt. Ganz klassisch als Vortrag mit mehreren Mitarbeitern vor Ort oder als Online-Unterweisung - das bleibt Dir überlassen. Wichtig ist, dass Du die Unterweisung nicht als notwendiges Übel betrachtest. Sie sollte viel mehr zu einer motivierenden Auseinandersetzung mit gesundheits- und sicherheitsrelevanten Aspekten bei der Arbeit führen.


6. Überprüfen der Durchführung und der Wirksamkeit der Maßnahmen

Sind alle Maßnahmen umgesetzt, erfolgt die Überprüfung deren Wirksamkeit. Überprüfe die Wirksamkeit zunächst nach deren Einführung und dann in regelmäßigen Abständen. Bei der Überprüfung sollte der Fokus darauf liegen, ob die Maßnahmen tatsächlich fristgemäß umgesetzt wurden und ob die Gefährdungen nun beseitigt sind. 


7. Fortschreiben der Gefährdungsbeurteilung

Arbeitsplätze und Tätigkeiten sind dynamisch. Daher ist auch die Gefährdungsbeurteilung kein abgeschlossener Prozess. Treten Unfälle auf, werden neue Verfahren, Maschinen, Arbeitsmittel und Arbeitsstoffe eingeführt, neue Arbeitsabläufe und Organisationen etabliert, gilt es, die Gefährdungsbeurteilung weiterzuführen und zu dokumentieren.


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